Geschichte

Der Ursprung der heutigen Burghauptmannschaft Österreich lässt sich auf das mittelalterliche Amt des Burggrafen, "frz. bo(u)rgrave, latinisiert burgravius, burgiographus, bulgravius, burclavius für praetor, praefectus, praepositus, quaestor curialis vel decurialis"(1), engl. governor (a.k.a keeper, captain) of the Castle, ital. burgravio, span. burgrave, zurückführen, zu dessen antiken Vorläufern das  Amt eines römischen Praefectus Castrorum(2) zu zählen ist. Neben den militärischen Aufgaben oblag dem Burggrafen auch die Rechtsprechung und Verwaltung einer Burg.

Epochenüberblick

Burggrafen waren zunächst Angehörige des Grafenstandes, die von einem weltlichen oder geistlichen Landesherrn mit einem Territorium belehnt wurden, das neben der eigentlichen Burg meist auch eine Siedlung und deren Umland umfasste. Somit waren sie auch im Besitz der herrschaftlichen Rechte,(3) wodurch sie an Einfluss im Heiligen Römischen Reich gewinnen konnten, wie etwa das Beispiel der Burggrafschaft Nürnberg(4) offenbart. Ab dem zwölften Jahrhundert wurden im bayrisch-österreichischen Raum die Grafen zunehmend durch Verwaltungsbeamte ersetzt, die jedoch als Amtstitel jenen eines "Burggrafen" beibehielten. Als im Spätmittelalter auch städtische Beamte militärische Aufgaben übernahmen, ist die Amtsbezeichnung gegenüber der eines "Stadtkommandanten" oder "Stadthauptmanns" nicht mehr eindeutig abgegrenzt. Im 16. Jahrhundert wird dem Burggraf als landesfürstlichen Beamten ausschließlich die Sicherung der königlichen Burg übertragen.(5)

Während der Regierungszeit Kaisers Friedrich III. (1452-1493) war die Geschichte der Wiener Burg, die zu dieser Zeit noch nicht die kaiserliche Residenz war, von Bürgerkrieg, der zeitweisen Übernahme in ständischen Besitz und der Eroberung durch den ungarischen König Mathias Corvinus (1458-1490) in den Jahren 1485 bis 1490 geprägt.(6) Erst unter der Herrschaft Kaiser Ferdinand I. (1558-1564) stieg Wien wieder zur Residenzstadt auf.

Für diesen Zeitabschnitt ist die Benennung von Burggrafen nicht eindeutig. Es scheint jedoch gesichert, dass ab dem Jahr 1530 dieses Amt von Hans Aphaltrer versehen wurde, der gleichzeitig Stadthauptmann von Wien war.(7) Einzelne Dokumente aus früheren Jahren weisen auch Niklas Barczal von Döbre (1443) und Cristoff von Hohenveld (1492) als Inhaber dieses Amtes aus.(8) In einigen Publikationen wird auch Burggraf Michael von Maidburg, Graf zu Hardegg und Retz (gest. 1483) als Burggraf von Wien ausgewiesen(9), was sich jedoch nicht eindeutig bestätigen lässt, zumal eine mögliche Verwechslung mit seinem Titel als Burggraf von Maidburg (Magdeburg) nicht ausgeschlossen werden kann.(10) Eine Ernennungsurkunde ist nicht überliefert.

Umfassende Veränderungen erfuhr das Amt durch eine Resolution Maria Theresias (1740-1780) vom 23. September 1750, in der sie die Aufhebung des Oberstburggrafenamtes verfügte und gleichzeitig Andreas Pögle (1750-1767) als Burginspektor einsetzte. Das Amt des Burggrafen blieb weiterhin bestehen und der Burginspektor wurde diesem gleichgestellt. Die Burgverwaltung  wurde nun von beiden Ämtern konsularisch geführt. Erst als die unterschiedliche Einflussnahme der Obersthofämter (vornehmlich des Obersthofmeister- und Oberstkämmereramtes) derart zunahm, dass es zu einer Behinderung der Dienstausübung kam, wurde das Burggrafenamt 1793 aufgelassen.(11) Unter Burginspektor Andreas Pögle wurde 1753 in einer Hofkonferenz unter dem Vorsitz des Obersthofmarschalls Karl Maximilian Fürst von Dietrichstein (1702-1784) und im Beisein des Generalhofbaudirektors Jadot Baron de Ville-Issey (1710-1761) die Brandschutzordnung neu geregelt und bezog erstmals den gesamten Hof mit ein.(12) Zu den weiteren Aufgaben des Burginspektors sind die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Hofquartierdienst zu zählen.

Eine neuerliche einschneidende Veränderung erfuhr das Amt des Burginspektors mit der Hofstaatsreform Kaiser Franz Josefs I. (1848-1916) in den Jahren 1849 bis 1851 durch Karl Ludwig Graf von Grünne (1808-1884), Generaladjutant des Kaisers. Die Anordnung dazu erfolgte am 26. April 1849. Diese sah vor, das Hofmobilienamt sowie das Generalbauamt aufzulösen und deren Aufgaben auf die Inspektionen und Schlosshauptmannschaften zu übertragen. Gleichzeitig ernannte der Kaiser Ludwig Montoyer zum Schlosshauptmann von Schönbrunn und Hetzendorf und Franz Schücht zum Schlosshauptmann von Laxenburg und Baden. Als Hofburginspektor blieb Ludwig Wagner im Amt, dem nach dessen Tod Ludwig Montoyer am 7. September 1850 als Burghauptmann nachfolgte. Dessen Verwaltungsbereich erstreckte sich u.a. über die eigentlichen Hofgebäude, das Hofburgtheater, die Stadtreitschule, die Stallburg, die Hofbibliothek, das Gebäude des Naturalien-, Münz- und Antikenkabinetts, das Kärntnertortheater, die Glashäuser im heutigen Burggarten, das Ballhaus und das Kaiserspitalgebäude.(13) Dies sollte bis zum Ende der Habsburgermonarchie 1918 weitgehend unverändert bleiben.

Dem Burghauptmann fielen darüber hinaus noch andere Aufgaben zu. Einem Zeitungsbericht ist zu entnehmen, dass der damalige Amtsinhaber Hofrat Ing. Ferdinand Kirschner (1821-1896) auch jener Hofkommission angehörte, die nach dem Tod des Thronfolgers Kronprinz Rudolf (1858-1889) am 30. Januar 1889 nach Schloss Mayerling entsandt wurde, um dessen Testament aufzufinden und den Rücktransport des Leichnams nach Wien zu organisieren. Die Burghauptmannschaft verwahrte für den Fall des plötzlichen Ablebens eines Mitglieds der kaiserlichen Familie einen Metallsarg, der nun zur Anwendung kommen musste.(14)

Schon bald war man sich der damit verbundenen großen Herausforderung bewusst, wie es der Kunsthistoriker Dagobert Frey (1883-1962) ausdruckt:
"[…] Die schwierigste Aufgabe, die vielseitige Rücksichtnahme verlangt, ist die Verwendung und Verwertung der höfischen Baulichkeiten. Die Not klopft oft recht ungestüm an die Tür, gebotene Sparsamkeit drängt und Übereilungen sind oft kaum zu vermeiden. Ein Bauwerk stirbt, wenn es seinem ursprünglichen Zweck entfremdet wird. Alles, was wir hier tun können, ist Kompromiß und muß daher notwendig Stückwerk bleiben."(16)

In den Anfangsjahren der Ersten Republik gelangten die ehemals kaiserlichen Bauwerke in die Zuständigkeit der Obersten Verwaltung des Hofärars unter der Leitung von Sektionschef a.D. Dr. Eugen Beck-Mannagetta (1861-1943)(17). Ab 1922 sind die entsprechenden Dienststellen dem Bundesministerium für Handel und Gewerbe, Industrie und Bauten nachgeordnet. 1936 wurde Hofrat Ing. Karl Walbiner als Nachfolger von Hofrat Ing. Emanuel Karajan zum Burghauptmann ernannt, der auch nach dem Anschluss an das nationalsozialistische Deutschland 1938 im Amt blieb.

Die Aufgaben der Burghauptmannschaft gingen ab 1942 an das Reichsbauamt Wien Innere Stadt I./II. (ObRegBaurat DiplIng Schmidt und RegDir DiplIng Walbiner) sowie an die Verwaltung der Schlösser (RegDir DiplIng Koppensteiner) über. Diese waren nachgeordnete Dienststellen der Abteilung V (Bauwesen) des Landwirtschaftsamtes für den Wehrwirtschaftsbezirk XVII unter der Leitung von RegDir. Dr. Förster, das seinerseits dem Reichsstatthalter in Wien Baldur von Schirach (1940-1945) unterstand.(18)

Mit der Übernahme in die Zweite Republik, der erneuten Eingliederung in das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau - dem heutigen Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft - und der Unterstellung unter das Bundeshochbauamt wurde Hofrat Paul Neumann zum Leiter der wieder eingerichteten Burghauptmannschaft in Wien bestellt.

Nach einer umfassenden Umstrukturierung und Ausgliederung der ehemaligen Bundesgebäudeverwaltung im Jahr 2001 verblieb lediglich die Burghauptmannschaft als zuständige Dienststelle. Der Burghauptmannschaft wurden jene Gebäude und Liegenschaften in ganz Österreich übertragen, die dem kulturellen und historischen Erbe Österreichs zugezählt werden. Dazu zählen neben der Hofburg in Wien, dem Kunst- und Naturhistorischen Museum auch das Bundeskanzleramt, das Regierungsgebäude am Stubenring (ehemaliges Kriegsministerium) und mehrere Palais in Wien, die Hofburg zu Innsbruck und das Schloss Ambras, das ehemalige Konzentrationslager Mauthausen. Aus diesem Grund wurde auch die Burghauptmannschaft in "Burghauptmannschaft Österreich" umbenannt. Die Aufgaben der Burghauptmannschaft Österreich sind in § 22 Bundesimmobiliengesetz festgehalten. Derzeit beschäftigt die Dienststelle rund 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Dienststelle wird von Herrn Burghauptmann Hofrat Mag. Reinhold Sahl geleitet.

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(1) Burggraf, in: Preußische Akademie der Wissenschaften (Hrsg.), Deutsches Rechtswörterbuch. Wörterbuch der älteren deutschen Rechtssprach, Bd. 2 (Weimar 1932-1935) Sp. 624-625, online unter: http://drw-www.adw.uni-heidelberg.de/drw-cgi/zeige?index=lemmata&term=burggraf (07.07.2017).
(2) Smith, William (Hrsg.), Dictionary of Greek and Roman Antiquities (London 1850) 952.
(3) Vgl. Burggraf, in: Grimm, Jacob, Grimm, Wilhelm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 2 (Leipzig 1854)  Sp. 543, online unter:  http://www.woerterbuchnetz.de/cgi-bin/WBNetz/wbgui_py?sigle=DWB&lemid=GB13242&mode=Vernetzung&hitlist=&patternlist=&mainmode= (07.07.2017).
(4) Spälter, Otto, Nürnberg, Burggrafschaft, publiziert am 04.10.2010, online unter: Historisches Lexikon Bayerns, http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Nürnberg, Burggrafschaft (07.07.2017).
(5) Mann, Ludwig, Die Geschichte der Burghauptmannschaft Wien (Univ.Diss., Wien 1950) 2-4.
(6) Csendes, Peter, Vom späten 14. Jahrhundert bis zur Ersten Wiener Türkenbelagerung (1529), in: Csendes, Peter, Opll, Ferdinand (Hrsg.), Wien. Geschichte einer Stadt, Bd. 1, Von den Anfängen bis zur Ersten Türkenbelagerung (Wien/Köln/Weimar 2001) 154-198.
(7) Mann, Burghauptmannschaft, 8-16.
(8) Obermaier, Walter, Die Wiener Hofburg im Spätmittelalter (Univ.Diss., Wien 1967) 183, 271.
(9) Trenkler, Thomas, Die Hofburg Wien. Geschichte-Gebäude-Sehenswürdigkeiten (Wien 2004) 16; Schwarz, Mario (Hrsg.), Die Wiener Hofburg im Mittelalter. Von der Kastellburg bis zu den Anfängen der Kaiserresidenz (Veröffentlichungen zur Bau- und Funktionsgeschichte der Wiener Hofburg, Rosenauer, Artur (Hrsg.), Bd. 1 (Wien 2015) 396.
(10) Vgl. Wurzbach, Constantin, Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich, Bd. 7 (Wien 1861) 354, online unter: austrian literature online, http://www.literature.at/viewer.alo?objid=11810&viewmode=fullscreen&scale=3.33&rotate=&page=359 (07.07.2017).
(11) Mann, Burghauptmannschaft, 198-202.
(12) Ebd. 206-211.
(13) Ebd. 327-340.
(14) „Die Wahrheit über Mayerling. Der Tod des Kronprinzen Rudolf und der Baronesse Mary Vecsera. Aus den nachgelassenen Papieren des Sektionschefs Dr. Heinrich Freiherrn v. Slatin“, Neues Wiener Tagblatt, Nr. 224, Sonntagsbeilage, 15. August 1931, 22, online unter: Austrian Newspapers Online, http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=nwg&datum=19310815&seite=21&zoom=33 (07.07.2017).
(15) Staatsgesetz 209 vom 03. April 1919, veröffentlicht im Staatsgesetzblatt für den Staat Deutschösterreich vom 10. April 1919, online unter: ALEX Historische Rechts- und Gesetzestexte Online, http://alex.onb.ac.at/cgi-content/alex?aid=sgb&datum=19190004&seite=00000513 (07.07.2017).
(16) Frey, Dagobert, Die Verstaatlichung und Inventarisierung des Habsburg-Lothringischen Kunstbesitz, in: Mitteilungen des Staatsdenkmalamtes, 1, 1-3 (1919).
(17) Beck-Mannagetta, Christian, Die Lebenserinnerungen des Eugen Beck-Mannagetta. Zusammengestellt nach seinen Tagebüchern, Geschäftsnotizen und Manuskripten sowie Akten und Dokumenten und mit Bildern versehen (Univ.Diss., Wien 2010), online unter: austria forum, https://austria-forum.org/web-books/dielebenserinnerungende2003iicm (07.07.2017).
(18) Lehmanns Allgemeiner Wohnungs-Anzeiger nebst Handels- und Gewerbe-Adreßbuch für die Bundeshauptstadt Wien (Wien 1921/22-1942), online unter:  wienbibliothek digital, http://www.digital.wienbibliothek.at/wbrobv/periodical/titleinfo/5311 (07.07.2017).