1995: Österreichs Weg in die Europäische Union

Autor: Helmut Wohnout, Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs

Seit dem 1. Jänner 1995 ist Österreich Mitglied der Europäischen Union (EU). Der Beitrittsprozess setzte bereits Mitte der 1980er-Jahre ein – angetrieben von politischen Umbrüchen in Europa und einem wachsenden Interesse an einer engeren Anbindung an die Europäischen Gemeinschaften (EG). 1989 einigte sich die Bundesregierung auf einen offiziellen Beitrittsantrag, den Außenminister Alois Mock am 17. Juli 1989 dem damaligen EG-Ratsvorsitzenden Roland Dumas überreichte.
Anschließend mussten verschiedene Vorbehalte gegen einen Beitritt Österreichs aus dem Weg geräumt werden. Bundeskanzler Franz Vranitzky und Außenminister Alois Mock gelang es etwa, in Gesprächen mit Moskau die ablehnende Haltung der Sowjetunion zu mildern. Eine weitere Voraussetzung war außerdem die 1992 erzielte Einigung mit Italien in der Südtirolfrage – ein seit Jahrzehnten belastendes Thema in den bilateralen Beziehungen.

Die eigentlichen Beitrittsverhandlungen begannen am 1. Februar 1993 parallel mit Schweden, Finnland und Norwegen. Dank der bereits im Zuge der Verhandlungen zum Beitritt in den Europäischen Wirtschaftsraum erzielten Anpassung des österreichischen Rechtsbestandes waren diese Gespräche die kürzesten in der Geschichte der EG bzw. der EU. Schon im Herbst 1993 wurde die Frage geklärt, inwieweit die österreichische Neutralität mit der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) vereinbar ist. Künftig bedeutete Neutralität vor allem, dass Österreich sich nicht an Kriegen beteiligt, keine Militärbündnisse eingeht und keine ausländischen Truppen auf österreichischem Boden stationiert. Darüber hinaus war Österreich bereit, an der GASP aktiv mitzuwirken.
Einige Streitpunkte blieben bis zuletzt offen – etwa der Transitverkehr über die Alpen, Umweltfragen, Zweitwohnsitze für EU-Bürger und die Integration der heimischen Landwirtschaft in den EU-Binnenmarkt. Diese Themen wurden in einem intensiven Sitzungsmarathon vom 25. Februar bis 1. März 1994 in Brüssel mit Kompromissen gelöst. Am späten Abend des 1. März standen der sichtlich erschöpften, aber glücklichen österreichischen Delegation unter der Leitung von Außenminister Alois Mock die Strapazen der vorangegangenen Verhandlungstage und Verhandlungsnächte ins Gesicht geschrieben.

Das Beitrittsabkommen musste nun noch von den gesetzgebenden Körperschaften Österreichs und dem Europäischen Parlament gebilligt werden. Am 4. Mai 1994 stimmte das EU-Parlament mit großer Mehrheit zu. Am Folgetag verabschiedete der österreichische Nationalrat mit Zweidrittelmehrheit das Bundesverfassungsgesetz über den EU-Beitritt. Da es sich um eine sogenannte Gesamtänderung der Verfassung handelte, war zusätzlich eine Volksabstimmung nötig. Diese wurde für den 12. Juni 1994 angesetzt. Im Zentrum der öffentlichen Debatte standen wirtschaftliche Chancen versus möglicher Souveränitätsverlust. Breite Unterstützung kam von Regierung, Sozialpartnern, Kirchen sowie den Parteien SPÖ, ÖVP und dem Liberalen Forum. Bei der Abstimmung sprach sich eine klare Mehrheit von 66,6 % für den EU-Beitritt aus.

Am 24. Juni 1994 unterzeichnete Österreich den Beitrittsvertrag im Rahmen des Europäischen Rates auf Korfu. Nach dessen Ratifizierung im Herbst 1994 war der Weg in die EU endgültig frei. Am 1. Jänner 1995 wurde Österreich Mitglied der Europäischen Union.